17.12.25 Darmstadt:
Frau Prof. a. D. Dr. Heike Egner: „Wer stört muss weg!“
19.12.25 Frankfurt am Main:
Florian Warweg: Friedenspolitik durch Entlarvung der Doppelmoral
von Sabiene Jahn
Als der liber-net-Report veröffentlicht wurde, war die erste Reaktion vieler Beobachter Ungläubigkeit (1). 330 Organisationen, 425 Förderprogramme, Millionenbeträge, zirkulierend zwischen Ministerien, Stiftungen, NGOs und Forschungsverbünden (2). Ein Netzwerk, das so umfassend war, dass es auf den ersten Blick nicht existieren konnte.(3) Doch es existiert. Nur hat Deutschland gelernt, es nicht mehr beim Namen zu nennen. Man bekämpft heute keine Meinungen, man „schützt die Demokratie“. Und genau darin liegt die Eleganz dieses Systems. Deutschland und sein Zensursystem, das weder Zensur heißen darf noch offen existieren müsste, und warum es sich so organisch in eine Gesellschaft einfügt, die längst in einem hybriden Machtmodell lebt und alles andere als „frei“ ist.
(Erstveröffentlichung am 5. Dezember 2025 auf Globalbridge)

Der Liber-Net-Report erschien am 19.November 2025 und zeigt auf über 70 Seiten das größte Zensurnetzwerk Europas: Deutschland (Siehe Quelle 1)
Für jene, die Sabiene Jahn lieber hören als lesen, hier anklicken.
Am Anfang stand ein Wort, das im alten Deutschland zum Witz eines politischen Stammtischs gehört hätte: „Dummschwätzer “. (4) Ein schmutziges, rheinisches Alltagswort, halb Schimpferei, halb Folklore. Heute kann es zum Anlass für eine polizeiliche Durchsuchung werden. Ein bayerischer Bürger schrieb es auf Facebook unter den Beitrag eines grünen Landtagsabgeordneten. Ein Wort, ein Klick und plötzlich läuft eine Meldung über das Portal einer Organisation namens REspect! direkt zur Polizei. (5) Ein unsichtbarer Kanal zwischen Zivilgesellschaft und Staatsgewalt. (6) Ein einziger Begriff, und die Maschine erwacht. Die Meldung steht inzwischen im Deutschen Bundestag, sachlich notiert wie ein Verstoß im Straßenverkehr, „Der Geschäftsführer (GS) wurde als Dummschwätzer bezeichnet.“
Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so symptomatisch wäre für eine Gesellschaft, die im Begriff ist, den Bereich des Sagbaren zu verengen, ohne dass eine offizielle Zensurbehörde existierte. Das geschieht fast geräuschlos, in jener typisch deutschen Mischung aus Moral, Bürokratie und Technokratie, die schon früher reibungslos funktionierte, wenn man etwas nicht Zensur nennen wollte, obwohl es sich genau wie Zensur anfühlt. Wer beginnt, die Linien zu verfolgen, landet unvermeidlich in einem Netz, dessen Fäden weit dichter geknüpft sind, als selbst kritische Beobachter ahnten, ein Netz, das, wie eine neue Recherche von liber-net zeigt, inzwischen 330 Organisationen umfasst, finanziert aus 425 staatlichen und EU-Programmen mit einem gemeinsamen Auftrag, Unerwünschte Inhalte erkennen, melden, kanalisieren und kontrollieren. (7) Dieses Land hat gelernt, wie man Zensur betreibt, ohne je von Zensur zu sprechen. (8)
Das Netz selbst wirkt wie ein organischer Organismus, ein atmendes System. Wer heute in Deutschland eine Meinung äußert, die quer zur politischen Linienführung steht, stößt nicht auf ein Ministerium, nicht auf eine Behörde, nicht auf einen Zensor im klassischen Sinne. Er trifft auf ein raffiniertes Ökosystem. Ministerien, EU-Programme, Stiftungen, angebliche Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs, „zivilgesellschaftliche“ Beratungsstellen, vermeintliche Faktenchecker, digitale Meldeportale, Landesmedienanstalten, Forschungseinrichtungen für „Digitale Gewalt“, Thinktanks, Medienpartnerschaften, privatwirtschaftliche Akteure mit staatlich verliehenen Prioritätsrechten etc pp. Sie alle wirken wie Zahnräder einer Maschine, die niemand als Maschine beschreibt. (9)
Das Schaubild von liber-net zeigt dieses Gefüge wie einen Knotenpunkt aus der Systemtheorie. Ein Spinnennetz, das den Staat nicht ersetzt. Es verlängert und tarnt ihn. Außen zivilgesellschaftlich, innen staatlich verankert, macht schlussendlich ein Hybridwesen. In der Mitte steht die Architektur selbst. Die Struktur besteht aus Förderlogiken, Programmentscheidungen, Prioritätskanälen, moralisch begründeten Normen, bürokratisch maskierten Anweisungen und einem tief verankerten Glauben an die moralische Pflicht zur Kommunikationshygiene.
Diese Architektur entstand nicht plötzlich. Es ist das Nebenprodukt jener politischen Kultur, die seit Jahren auf öffentlich-private Steuerungsarchitektur setzt, eleganter verpackt nennt sich das Public-Private-Governance. (10) Ein Architekturmodell, in dem staatliche Aufgaben privat ausgeführt werden, während der Staat formal im Hintergrund bleibt. Ein System, das öffentlich über Steuergeld jedes Bürgers finanziert und privat an Beraterfirmen, NGOs und Unternehmen exekutiert. Zivilgesellschaft übernimmt staatliche Funktionen, der Staat tritt als „zivilgesellschaftlicher“ Akteur auf, und das Ergebnis ist ein System, das demokratisch wirkt, aber technokratisch handelt, in jener Art, bei der politische Entscheidungen nicht mehr wie politische Entscheidungen wirken. Es sind augenscheinlich neutrale Abläufe, nicht mehr gewählte Akteure, die eingreifen. Es handelt sich um Verfahren, Standards und angebliche Expertengremien. Eine Löschung auf Facebook oder Instagram ist dann nicht mehr das Ergebnis eines politischen Konflikts oder einer öffentlichen Debatte, es ist ein „Prioritätsverfahren“, das eine NGO aufgrund eines staatlich verliehenen Zertifikats auslösen kann. Eine Einstufung als Desinformation wirkt nicht mehr wie das Urteil eines kritisch prüfenden Journalisten. Es ist das Resultat eines EU-finanzierten Forschungsclusters, das algorithmische Risikomodelle entwickelt und damit festlegt, welche Narrative als bedrohlich einzustufen sind. (11)
YouTube-Inhalte müssen nicht mehr gelöscht werden, sie werden schlichtweg still herabgestuft, indem Videos aus den Empfehlungen verschwinden, in der Suche nach hinten rutschen oder mit Warnhinweisen versehen werden, hat auch das nichts mit einem demokratisch verhandelten Gesetz zu tun. (12) Es wird durch ein automatisiertes „Incident-Response-Protokoll“ ausgelöst. Ein technisches Verfahren, das irgendwann in einer Leitlinie des Digital Services Act verankert wurde, ohne dass je ein Abgeordneter öffentlich darüber sprach oder auch nur erklären könnte, wie es funktioniert. (13) So entsteht eine Form der Macht, die ihre eigenen Entscheidungen unsichtbar macht. Die Verantwortlichkeit verschwindet hinter Begriffen wie Prozessqualität, Risikomodellen oder Content-Moderation-Standards. Es greift in das System ein und bestimmt den Ablauf.
Man muss dieses Ökosystem verstehen, um jene Szenen zu begreifen, die sich in deutschen Wohnzimmern abspielen, wenn morgens der Postbote klingelt – nicht wegen eines Pakets, nunmehr wegen eines Facebook-Kommentars. Die „60 Minutes“-Sequenz, die 2025 um die Welt ging, zeigte eine Hausdurchsuchung, die sich anfühlt wie ein Schnitt aus einem osteuropäischen Dissidentenfilm. (14) Beamte im Türrahmen, beschlagnahmte Geräte, der ernste Ton eines Staates, der behauptet, lediglich „digitale Gewalt“ zu verfolgen. Es sind Bilder, die nicht durch Gewalt schockieren, eher durch ihre Normalität. Die eigentliche Disziplinierung geschieht jedoch leiser, durch zertifizierte Melder, deren Meldungen Priorität haben und die Aufgaben übernehmen, die einst Staatsanwälte und Richter hatten. (15)

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